Schäm dich!
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Wir über Scham - Ein Blog   

Im Laufe unseres Projekts war es uns ganz wichtig unsere eigenen Schamgrenzen auszuloten. Hierbei sind wir auf sehr persönliche Geschichten gestoßen, die wir mit Euch teilen wollen. Wir hoffen Ihr könnt Euch in der ein oder anderen Geschichte, dem ein oder andern Erlebnis wiederfinden oder lasst Euch von den Erzählungen helfen, andere Menschen besser zu verstehen.

2020-12-27

SchamSache #4: 2017. Nicht irgendein Kerl.

20Euro.jpegEin Kerl, der mir mal viel bedeutet hat, ich ihm aber nicht, machte mir vor ich sei ihm wichtig.
Er liebe mich und würde sich nur noch nicht „trauen“ unsere Beziehung öffentlich zu machen.

Klassische Lügen. Daran habe ich anderthalb Jahre geglaubt. Warum? Kann ich nicht genau erklären. Vielleicht war ich zu unsicher, vielleicht habe ich passende Momente verpasst, um mich von ihm zu lösen oder ich war einfach naiv. Während er sich nicht „traute“ unsere Beziehung öffentlich zu machen, erfuhr ich von Freunden, dass er bekannt gegeben hatte, er sei in einer Beziehung. Nur, dass diese Beziehung nicht aus mir und ihm bestand.

Ihr Name war Pauline. Eine Bekannte von mir. Wir kannten uns nicht gut, aber gut genug, dass es wehtat. Ich stellte ihn zur Rede. Ausreden. Ich war wütend, enttäuscht und war mir sicher. Ich wäre jetzt mutig genug nicht mehr verfügbar für ihn zu sein.

Eine Zeit lang herrschte kein Kontakt. Er versuchte mich zu erreichen, was mir erfolgreich gelang zu ignorieren. Er war trotzdem gut darin mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Eines Abends rief er mich immer wieder an, schrieb mir ununterbrochen. Er war betrunken und wollte reden. Ich fuhr also mit dem letzten Bus zu ihm. Zu meiner Überraschung stand er gegenüber der Haltestelle vor dem Eingang einer Kneipe, nicht Zuhause. Natürlich wollte er nicht reden. Sofort rutschte seine Hand unter mein Oberteil, seine Zunge steckte er mir in den Hals. „Nein!“ Er ließ von mir ab.

Er gab mir zu verstehen: Wenn ich nicht mit ihm schlafe, dann habe er auch keinen Schlafplatz für mich. Wut kam auf. Große Wut. Ich hätte ihm in diesem Moment gerne mehr an den Kopf geworfen als: „Du Idiot, ich komme nirgendwo mit dir hin! Ich kann so nicht mehr nach Hause und das weißt du!“ Er warf mir wortlos 20€ entgegen.

Taxigeld. Bezahlung für nicht getane Dienste. Das war ich ihm also wert. 20€.

Die Scham war mir ins Gesicht geschrieben. Ich ging in die Kneipe, um mir von dem Wirth ein Taxi rufen zu lassen. Zum Glück war die Welt ein Dorf und Freunde meiner Schwester hielten sich an diesem Abend in der Kneipe auf. Einer aus der Gruppe war der Fahrer und meine Rache war süß. Die 20€ investierte ich in mich, also in Alkohol, den ich in mich reinschüttete. Das Gesicht dieses Kerls war unbezahlbar, als er mich plötzlich an der Theke sah.

Besoffen versprach ich mir, ab jetzt würde ich meinen eigenen Wert kennen. Dies war das erste und einzige versprechen, welches ich mir jemals im betrunkenen Kopf machte und auch hielt.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass diese Erfahrung mich nicht in zukünftigen Beziehungen beeinflusst hat, positiv wie auch negativ. Aber das ist okay, irgendwie.

NetzderScham - 19:35:02 | Kommentar hinzufügen

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